Immer höher. Diese Tour soll uns in der Vulkan-Landschaft Ecuadors auf drei 4000-er, zwei 5000-er und einen 6000-er führen.
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Spanien
Roncesvalles - Larrasoana (ca. 25 km)
Ich hab heute keine Fotos gemacht, diese Fotos sind von Clay. Meine alte Kamera speichert nur 100 Bilder und ich habe es am ersten Tag übertrieben mit der Knipserei. Hab auch entschieden nur noch landschaftliche Eindrücke und Menschen zu verewigen. Für architektonische Glanzleistungen finde ich bessere Bilder anderswo. Ramon war heute früh schon eine Stunde vor allen anderen weg. Clay und Gretel nahmen sich vor gemeinsam nach Larrasoana pilgern. Und ich wollte heute allein laufen, um langsam ein Gefühl dafür zu bekommen. Wir frühstückten noch gemeinsam in dem Lokal, ich brach dann aber eher auf als die Beiden. Auf einem Schild stand Santiago 790 km, ich dachte kurz nach, ob ich noch richtig tickte, sagte mir dann aber: Denk nicht, lauf los. Das tat ich dann auch mehrere Stunden lang. Es ging lange leicht bergab durch eine schön verschneite Landschaft. In Espinal gab es leichte Orientierungsschwierigkeiten, aber der Weg war, dank der guten Markierung, leicht wiederzufinden. Zudem gab es nur Spuren einer Person vor mir, von Ramon, und der verlief sich nur mit geringer Wahrscheinlichkeit. Unterbrochen von kurzen Pausen erreichte ich dann irgendwann nach dem Mittag Zubiri. Bei einer häßlichen Fabrik verlief ich mich nochmals und auf einem meiner Umwege kam mir Ramon entgegen.
Ich hatte mich schon gewundert, da seine Spuren irgendwann verschwunden waren. Er hatte unterwegs ausgiebig Mittag gemacht, an seiner "Fahne" erfasste ich sofort, dass wieder einiger Sprechdurchfall auf mich zukommen würde. Aber sein spanish-english verstand ich gut und derartig verging die letzte Stunde bis Larrasoana wie im Fluge. Mittlerweile merkte ich jedoch wie mir die Knochen schmerzten. Es ging langsam los, die physische Tortur, wie man das erste Drittel des Weges gern nennt. Der Rücken tat weh, trotz meines sehr kleinen Rucksacks, über den sich jeder lustig machte. Die Füße drückten und erste Blasen machten sich bemerkbar. In Larrasoana angekommen, einem kleinen Ort, fanden wir die Herberge offen und leer, keine Menschenseele war hier. Es war eiskalt in dem kleinen Raum. Klappernd begaben wir uns unter die Dusche, naja, wenigsten heißes Wasser zum Aufwärmen war da. Nur die Klamotten werden hier nicht trocken, einmal Wechselwäsche hätte ich ja. Eine Stunde später fanden sich auch Clay und Gretel hier ein.
Kein Zufall, daß man sich im Winter immer wiedertrifft. Sehr wenig Herbergen bleiben in der Jahreszeit zur Auswahl. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, gab es die nächste Herausforderung: in dem Nest was Eßbares aufzutreiben. Einkaufsmöglichkeiten gab es hier nicht und Bar's oder ähnliches waren nicht in Sichtweite. Nach einigem Fragen verwies man uns an eine Art Shop, welcher Markt und Cafe in einem war. Widerwillig öffnete uns eine ältere Dame und nach einigem Hickhack auf spanisch, ließ sie uns ein. Nach anfänglichem Knurren entpuppte sich die Frau jedoch als gute Gastgeberin, sie kochte lecker für uns und hatte viel zu Erzählen. Clay übersetzte mir meist ins Englische. Unter anderem hörten wir hier von einer Polin, die mit ihrem zweieinhalb-jährigem Kind hier lang gekommen sein soll, von Polen aus. Ich sollte sie dann paar hundert Kilometer weiter treffen. Der Abend war jedenfalls gerettet, wir waren aufgewärmt und satt. So ging es dann auch in die Herberge, noch einige Blasenpflaster geklebt und ab in den Schlafsack.
Larrasoana - Cizur Menor (ca. 21 km)
Nach Larrasoana verlor sich der Schnee langsam. Es wurde einer der besseren Tage, nicht regnerisch und die Sonne kam ab und an durch. Wir liefen zu dritt los, Ramon war wieder vor uns fort, ich sollte ihn nicht mehr wiedersehen, aber er wollte eh nur bis Burgos laufen, dann war sein Urlaub zu Ende. Gretel ging nach paar Stunden auch ihren eigenen Weg, sie hatte Zeit und wollte den Weg genießen. Sie schaute sich viele Kirchen an und besuchte oft den Gottesdienst. Clay und Gretel waren Christen. Ich ging also mit Clay allein die letzte Strecke Richtung Pamplona, es war sehr entspannt, wir quatschten viel. Ich verstand ihn immer besser und so verging der Tag nicht nur wegen der nur 20 km Strecke wie im Fluge. In einem Ort vor Pamplona kauften wir in einem Supermarkt Essen für den Abend ein und machten ausgiebig Rast. Darauf liefen wir in Pamplona ein, nach den zwei Tagen Natur pur, gleich etwas stressig. Die Ampeln zeigen hier die Sekunden an, wann der Fußgänger grün bekommt, gute Erfindung, meine ich.
Clay erzählte mir von den Stierkämpfen und den Sanfermines, sehr traditionell, aber mittlerweile umstritten. Er kannte sich überhaupt sehr gut mit der Natur inklusive Tieren aus. Sein Hobby war Hiking, er war schon in aller Welt mit dem Zelt unterwegs, war auch Bären begegnet, meinem Alptraum. Er meinte, die schwarzen Bären seien harmlos, die braunen seien je nach Laune mit Vorsicht zu genießen, aber wenn du einen Grizzly siehst, dann hoffe, dass er dich nicht bemerkt. Mittlerweile waren wir in der schönen Altstadt von Pamplona. Ein Mann sprach uns an, er unterhielt sich mit Clay auf Spanisch. Das Wichtigste übersetzte mir Clay. Er war Mathematiklehrer und war den Weg vor etlichen Jahren gegangen. Er wiederholte das schon oft Gehörte: Der Weg habe sein Leben verändert. Clay erwähnte, dass ich am 15.1. in Santiago sein wollte. Er meinte, das wird hart, aber wenn ein Deutscher was wolle, würde er es tun. Ich bedankte mich für so eine optimistische Einschätzung, aber auch Ramon hatte mir schon nach der ersten Etappe versichert: You are very strong, you'll make it.
Durch das Gespräch bemerkten wir kaum, wie wir Pamplona schon wieder verließen. An der Uni vorbei, ging es einen bequemen Weg nach Cizur Menor. Wir fanden die Herberge dort schnell und gerade recht, es begann wieder zu regnen. Eine freundliche ältere Dame war die Hospitalera und sie führte uns in eine komfortable Unterkunft. Endlich mal richtig Aufwärmen und Klamotten trocknen. Nach dem Einrichten, gingen wir noch paar Dinge kaufen, mittlerweile war auch Gretel angekommen. Clay kochte irgendein leckeres einheimisches Gericht und ich wusch wieder ab. An dem Abend unterhielten wir uns sehr viel, die Hospitalera kam noch hinzu und erzählte interessante Dinge. Angefangen vom optimalen Binden unserer Schuhe bis zu besonderen Tipps auf dem Weg, sie hatte eine Menge Erfahrung. Auf den Brücken habe der Camino besondere Energie, man sollte dort länger verweilen. Ich finde solche Aussagen zwar meist nicht logisch nachvollziehbar, aber wo ich nicht das Gegenteil beweisen kann, akzeptiere ich es. So lief ich zukünftig wirklich langsamer, wenn der Weg über Brücken verlief.
Clay und Gretel massierten sich gegenseitig die Füße, boten es mir auch an, aber das war mir dann doch etwas zu nah. Die Beiden hatten irgendeinen inneren Frieden und eine Gelassenheit, die mir völlig fehlten. Wir tauschten noch unsere Kontaktdaten aus, denn am nächsten Tag werde ich mal größere Etappen laufen müssen, sonst kann ich den Zeitplan nicht halten. Wir sahen uns dann auch den nächsten Morgen das letzte Mal. Noch hatte ich mich zurückgehalten, denn ich war gewarnt, wer am Anfang zu ehrgeizig ist, stürzt hier sehr schnell ab.