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Camino francés - Seite 2

Frankreich - Spanien

Saint-Jean-Pied-de-Port - Roncesvalles (ca. 27 km)

Camino francés St. Jean liegt herrlich am Fuß der Pyrenäen, die Herberge war in dem kleinen Ort schnell gefunden. Die Hospitaleros, ein älterer Mann und eine Frau, waren sehr nett und mit meinem Englisch kam ich gut hin. Ich erhielt meinen ersten Stempel in den Credencial und gegen eine Spende die Jakobsmuschel. Die Örtlichkeit war warm und gemütlich, sogar freies Internet gab es (zu der Zeit Luxus 🙂). Nach dem Check-In ging ich spazieren, eine schöne Zitadelle verlangte nach ersten Fotos. Ja, die Fotos meiner alten Kamera sind grottig, zudem war der Speicher ständig voll. Aber ich wollte damals auch nix dokumentieren, ich war hier zum Runterkommen. Vom Warmlaufen zurückgekehrt, war Gretel, eine Belgierin, gerade am Auspacken.

Camino francés Sie sprach fließend Französisch und Englisch. Wir einigten uns auf Letzteres. Sie war in Lourdes gestartet und schon eine Woche unterwegs. Meist hatte sie bei Privatleuten übernachtet, sie war der Typ Mensch, freundlich und offen, den fremde Menschen ohne weiteres einlassen würden. Mein Ding wäre das nicht gewesen, ich versuche immer unabhängig von anderen zu agieren. Wir aßen zusammen ihre Eßkastanien und erzählten uns von unseren Motivationen und Erwartungen auf dieser Pilgertour. Sie wollte privat wie beruflich ihr weiteres Leben überdenken. Gegen Abend kochte Gretel, ich konnte nur das Abwaschen beisteuern und währenddessen fanden sich zwei weitere Pilger ein.

Camino francés Ramon, ein sehr mitteilungsbedürftiger Spanier aus Barcelona und Clay, ein Ami. Ich dachte, mein Englisch wäre halbwegs gut, aber Clay's american english verstand ich kaum. Er kam aus Atlanta, Coca-Cola-City, und studierte in Madrid Spanisch. Er wollte später mal amerikanischen Touristen organisierte Pilgertouren anbieten und notierte sich fleißig alles auf seiner Tour. Ramon war vielsprachig unterwegs, sein Hobby war Hiking, ich sollte es am nächsten Tag zu spüren bekommen. Er verbrachte einen Teil seines Urlaubs am Camino, mit allen Lastern, er trank ordentlich und abends wurde gekifft. Clay und Ramon unterhielten sich spanisch, Gretel und Ramon französisch, nur wenn die drei paar Worte in Englisch wechselten, konnte ich mich mit einklinken. Schon hier bekam ich meine kulturellen Grenzen gezeigt, ich nahm mir vor als nächstes Spanisch zu lernen. Wir verbrachten jedenfalls einen lustigen Abend zusammen und erfuhren, dass die normale Route über die Pyrenäen gesperrt war. Zu gefährlich bei dem Wetter, allerdings meinte Ramon, der den Camino schon etliche Male gelaufen war, er würde trotzdem gehen. Uns würde er nur mitnehmen, wenn wir schnell laufen könnten. Wir garantierten das ohne zu wissen, was wir tun. Nur Clay mit seinen Turnschuhen sollte besser die Umgehungsroute laufen.

Camino francés Nach einem eher dürftigen Frühstück ging es auf die erste Etappe. Die Pilgerherbergen müssen überall bis 8 Uhr verlassen werden. Es war noch dämmrig und der Weg war schnell gefunden. Nach St. Jean geht es sofort bergauf, zunächst langsam. Die Stimmung war gut und die Sonne zeigte sich mehr und mehr. Es wurde immer steiler und der Schneepegel stieg. Von einer Art Weg war bald nix mehr zu sehen und wir stapften durch kniehohen Schnee. Ramon machte wenig Pausen, er meinte, das Wetter wechselt hier sehr schnell, wir sollten das gute Wetter ausnutzen. Zwischendurch erzählte Ramon von seinen Erlebnissen, er war viel rumgekommen. Nur die Geschichten von Wölfen und Bären in den Pyrenäen hätte er weglassen sollen, ich drehte mich danach nur noch um, ob uns was verfolgte. Aber bis auf paar riesige Adler oder Geier sah ich nur freilaufende Pferde. Sie würden was zu Fressen finden in dem Schnee, meinte Ramon auf meinen fragenden Blick hin. Und die Geier würden nur auf ein leckeres "german meal" warten. Naja, mich gibt's hier nicht 🙂.

Camino francés Weiter oben trafen wir einen Wanderer, ein Einheimischer, der uns noch Tipps gab. Sonst war hier nix Lebendiges mehr. Der Schnee wurde mehr und mehr, die Sonne schien grell und die Kulisse war gigantisch. Allerdings wurde das Laufen immer beschwerlicher und es gab erste Auseinandersetzungen zwischen Gretel und Ramon. Gretel wollte mehr Pausen und nicht so schnell laufen. Details blieben mir erspart aufgrund meines mangelnden Französischverständnisses. Ramon lief wirklich sehr zügig, aber zu sehr kurzen Rauchpausen ließ er sich überreden. Gegen Mittag konnten wir sogar eine kurze Essenspause rausschlagen, ca. 10 Minuten. Mehr war nicht drin, obwohl wir zeitlich sehr gut lagen, er hatte Angst vor dem Wetterumschwung. Und er hatte Recht, innerhalb kürzester Zeit am Nachmittag zog sich der Himmel zu und es begann ein Schneesturm vom Feinsten. Aber wir waren schon in der Nähe einer Hütte und hatten hier eine halbe Stunde Zwangspause.

Camino francés Danach kam die Sonne wieder raus als wäre nichts geschehen. Mittlerweile war von einem Weg gar nichts mehr zu sehen, es ging quer über Felsen auf den Gipfel. Ramon zeigte in den Schnee und meinte "spanish border". Aha, wir waren in Spanien, ohne Führer wäre der Weg heute nicht zu finden gewesen. Es ging dann noch eine Weile waldgeschützt auf dem Gipfel entlang, aber kurz vor dem steilen Abstieg erwischte uns ein weiterer heftiger Schneesturm. Von jetzt an ging es steil bergab, nicht viel besser zu laufen, man mußte genau schauen, wo man hintrat. Im Tal war nach dem Sturm schon Roncesvalles (Roncevaux) zu sehen. Ramon, der nationalistische Baske, bestand auf dem baskischen Namen Orreaga. Wie auch immer, endlich unten, wartete ein riesiges Kloster auf uns. Nach dem Zahlen und Stempeln bezogen wir die ungemütliche Klosterherberge. Die Preise für die Herbergen bewegten sich auf dem ganzen Weg zwischen 3 € und 10 €, sehr günstig also.

Camino francés Allerdings variierte die Qualität der Herbergen in höherem Maße. Das war meine erste Pilgerschaft und ich war noch nix gewohnt. Hier war es kalt, düster und eng. Es gab nur eine Dusche und das Duschwasser war lauwarm. Nachdem wir freie Trockenplätze für unsere durchnäßten Klamotten gefunden hatten und das Duschprozedere vorüber war, gingen wir in das einzige Lokal in der Nähe. Die Küche hatte noch zu, so dass wir uns dem Betrinken hingaben. Es war wieder sehr lustig mit der Truppe, Clay war mittlerweile eingetroffen von seiner Umgehungsroute.

Camino francés Ramon lernte mir ein spanisches Grundvokabular, um mir wenigstens die Getränke bestellen zu können. Nach paar Stunden gab's Pilgrims menu mit drei Gängen. War ganz ordentlich. Pilgermenüs gab es in allen größeren Bar's und Herbergen. Der Preis belief sich meist um die 10 € und es war oft reichlich und gut. Nach dem Dinieren ging es aber gleich ins Nest, die anstrengende erste Tour forderte ihren Tribut. Nachts hatte ich Oberschenkelkrämpfe, mir gänzlich unbekannt bisher, aber brutal. Aber der benötigte Schlaf fand sich irgendwann ein.

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