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Camino francés - Seite 15

Spanien

Arca do Pino - Santiago de Compostella (ca. 20 km)

Camino francés Unsere Freude auf die heutige Ankunft wurde schnell gedämpft. In der ganzen Gegend war Stromausfall in der Nacht. Das hieß: im Dunkeln einpacken und ankleiden, kein Frühstück und die ganze Strecke bis Santiago an der dunklen Straße entlang. Klaus hatte mir netterweise eine Stirnlampe geschenkt, aber sie leuchtete nur wenig aus. Wir waren extra sehr zeitig gestartet, um zur Mittagsmesse in der Kathedrale zu sein. Einzig die Vorfreude trug uns über die ersten 10 km bis Lavacolla, es ging permanent eine viel befahrene Fernverkehrsstraße entlang, ständige Vorsicht war angesagt. Im Flughafengelände von Lavacolla verliefen wir uns dann auch noch, da wir im Dunkeln ein Wegzeichen übersehen hatten. Nach einigem Suchen fanden wir den Weg wieder, wir mußten aber einsehen, daß wir die Mittagsmesse in den Wind schreiben konnten. So liefen wir nun auch gemütlicher weiter, bis irgendwann eine offene Bar zu finden war. Man hatte hier ebenfalls noch mit sporadischem Stromausfall zu kämpfen, aber irgendwann gab der Automat paar Cafe con Lecce her. Uns zog es ans Ziel und nach weiteren Pausen in San Marcos und auf dem Monte do Gozo, wo der Papst ein stählernes Monument und eine Riesen-Herberge errichten ließ, ging es bergab langsam auf Santiago zu.

Camino francés Wir redeten nur noch wenig auf dem langen Weg Richtung Altstadt, Erlebnisse und Anstrengungen auf den vergangenen Kilometern verdichteten sich langsam zu einem Gefühl des Stolzes und der Zufriedenheit. Vor der Kathedrale angekommen, umarmten wir uns, Jana weinte. Einige Augenblicke der Besinnung blieben, dann kam auch schon ein TV-Team mit einem stadtbekannten Pilger, um uns zu interviewen. Den Part übernahm wieder Jana. Wir verweilten eine Weile auf dem Platz, mußten dann aber noch einige Dinge organisieren, um uns später mehr Zeit für die Kathedrale nehmen zu können. Der Pilgerweg ist sowieso erst beendet, wenn man am Grab des Apostels war. Das Wetter hatte es gut gemeint bei unserer Ankunft, es war zumindest trocken. Ein Engländer hatte sogar eine Riesenleinwand auf dem Pflaster ausgebreitet und malte die Kathedrale ab. Er sammelte Spendengelder. Im Pilgerbüro erhielten wir unsere Compostella und die Adresse einer Pension in der Innenstadt. In die Herberge konnten wir nicht, ich mußte morgen früh zum Bus um die Ecke und Jana bekam ab morgen von Alfred ein Wochenende im Luxushotel geschenkt zur Belohnung. Alfred kam extra hergeflogen, aber ich sollte ihn nicht mehr sehen.

Camino francés Wir nahmen also unsere sehr einfache Pension in Beschlag und gingen danach zur Kathedrale. Der Eingangsbereich wurde rekonstruiert, sodass wir paar einfache, eher für Touristen eingeführte Rituale wie das "Kopfstossen" wegließen. Zuerst beendeten wir unsere Pilgerschaft mit dem Besuch am silberglänzenden Sarg des Apostels Jakob dem Älteren unter dem Altar. Ich hatte hier noch Versprechungen und einige Wünsche einzulösen, deshalb betete ich am Grab. Danach gingen wir hinter dem Altar hinauf und umarmten und küßten den Apostel.

Camino francés Im heiligen Jahr 2010 - der 25. Juli, der Namenstag des Heiligen Jakobus fällt auf einen Sonntag - hatten wir sogar das Glück durch die offene heilige Porte zu gehen, eine dicke Bronzetür. Wir bummelten abends durch die Altstadt von Santiago, hatten auch alle noch paar Einkäufe zu tätigen und suchten uns vor 20 Uhr eine Bar. Es sollte dann Janas Interview im ersten spanischen Fernsehen übertragen werden. So war es dann auch, eine Sendung namens Gente zeigte den stadtbekannten Pilger und Jana. Wir hatten am Nachmittag schon Pilgermenü gehabt, so blieb es dann bei einigen Bieren, ehe wir erschöpft in unsere weichen Pensionsbetten fielen.

Abreise

Camino francés An meinem Abreisetag lud ich meine Freunde noch zum Frühstück ein. Wir waren schon etwas gedrückter Stimmung. Jana erwartete das schöne Hotelwochenende mit ihrem Mann und Klaus wollte noch 90 km nach Murcia. Er hatte es nicht eilig nach Haus zu kommen. Beide brachten mich dann noch zum Bus, es war ein komischer Moment, Jana weinte wieder. Ein Teil von mir freute sich wieder heim zu kommen, aber es hätte auch weiter gehen können mit den Beiden.

Der Bus brachte mich zum Aeropuerto de Santiago de Compostela, ich mußte noch 2 Stunden warten, ehe der Flug nach Palma de Mallorca dran war. Während des Fluges hatte man sehr gute Sicht, v.a. der Übergang von den tief verschneiten Pyrenäen zum Mittelmeer war beeindruckend. In Palma hatte ich 8 Stunden Aufenthalt, ich hatte mir gedacht in die Stadt zu laufen, aber es ging kein Fußweg aus dem Flughafengelände raus. Bus oder Taxi zu fahren, weigerte ich mich, auch wenn das hier billig ist. Ich wollte laufen, es steckte jetzt drin. Es sollte aber nicht sein und so checkte ich wieder ein und verbrachte die Stunden im Flughafen. Ich lief auf und ab und gönnte mir ab und zu überteuerten dünnen Kaffee. Eine ältere Aussteigerin erzählte mir ihre Erlebnisse hier auf Palma. Gegen Abend gingen mehrere Flüge nach Deutschland und es fand sich nach und nach der Prototyp des deutschen Mallorca-Urlaubers ein. Mich graute schon vor dem Flug. Zurecht, meine Maschine wurde vollgepropft mit krakeelenten Stimmungskanonen und der subjektiv größte Mensch saß neben mir. Eingeengt in meinem Bewegungsdrang landeten wir dann irgendwann im Schneetreiben in Leipzig. Mein erster Pilgerweg war zu Ende. Ich durfte sehr viel lernen, über mich und andere. Es war sehr intensiv, deswegen treibt mich seitdem die Sucht danach und die Neugierde weiterhin auf verschiedenste Wege. Allerdings besser organisiert und entspannter 🙂.

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